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KUAN-HSUAN LU

  • Autorenbild:  ARTISTIC HUB MAGAZINE
    ARTISTIC HUB MAGAZINE
  • 18. Okt.
  • 5 Min. Lesezeit

Zwischen Emotion und Vorstellungskraft: Die inneren Welten von Kuan-Hsuan Lu


In Kuan-Hsuan Lus Kunst liegt eine leise Wärme und Klarheit. Ihre Werke sind von Farben erfüllt, die durch ihre Präsenz wirken, nicht durch Intensität. Geboren in Taiwan und künstlerisch geprägt in New York, vereint sie zwei Kulturen in einer gemeinsamen visuellen Sprache. Ihre Illustrationen offenbaren eine Harmonie aus östlicher Ruhe und westlichem Rhythmus, getragen von einem Funken, der zugleich beruhigt und belebt. Eine Blume, eine Hand oder ein sanft umrissener Raum werden zu Symbolen von Nähe und Fürsorge. Jede Komposition atmet gleichmäßig und zeigt eine Welt, in der Gefühl und Gedanke im Einklang schwingen. Durch ihre Kunst schafft Kuan-Hsuan Balance - einen visuellen Rhythmus, der Tiefe, Gelassenheit und Empathie widerspiegelt.


In diesem Gespräch für Artistic Hub Magazine erzählt sie, wie ihre Bilder entstehen, wie Emotion sich in Bewegung verwandelt und wie Authentizität zur stärksten Form künstlerischen Ausdrucks wird.


Kuan-Hsuan Lu

 Kuan-Hsuan Lu, Künstlerin


Sie leben und arbeiten zwischen Taiwan und New York. Wie hat der Wechsel zwischen diesen beiden Kulturen Ihren visuellen Ausdruck und Ihr Empfinden für Farbe, Raum und Emotion in der Kunst beeinflusst?


Zwischen Taiwan und New York zu leben hat mir sehr unterschiedliche Erfahrungen in Kunst und Leben geschenkt. In Taiwan wurde ich von Familie, Freundinnen, Lehrenden und Kolleginnen immer auf meinem kreativen Weg unterstützt. Diese Freiheit hat mich mutig und offen gemacht. Ich hatte nie das Bedürfnis, mich zu streng an Regeln zu halten. Emotional gesehen fühlt sich Taiwan manchmal wie eine Komfortzone an. Die meisten Menschen um mich herum teilen ähnliche Werte und Ausdrucksformen. Als ich in die USA zog, begann ich Menschen aus den unterschiedlichsten kulturellen und persönlichen Hintergründen zu begegnen. Ich wurde mit neuen Denkweisen und Ausdrucksformen konfrontiert, die mein Verständnis von „Ausdruck“ erweitert haben. Diese Gegensätze inspirieren mich immer wieder neu und halten meine Motivation lebendig. Jede Lebensphase verändert meine Art zu gestalten, besonders in Zeiten von Selbstzweifeln oder inneren Kämpfen. In solchen Momenten ist das Schaffen das, was mich erdet. Es ist immer da - wie ein stiller Begleiter.

 

Ihre Arbeiten verbinden oft spielerische Elemente mit tieferen Reflexionen über Empathie, Fürsorge und Verletzlichkeit. Wie verwandeln sich diese Gefühle in visuelle Symbole, die später Teil Ihrer künstlerischen Sprache werden?


Ich beginne meist mit kleinen Momenten, die mich berühren - einer Geste, einem Gesichtsausdruck oder einer plötzlichen emotionalen Veränderung. Diese Momente verwandeln sich nach und nach in visuelle Elemente wie eine Hand, eine Blume oder eine gebrochene Form. Ich liebe es, mit Farbe und Metapher tiefere Emotionen auszudrücken. Für mich ist das Schaffen ein Weg, Druck und Gefühle loszulassen. Ich wünsche mir, dass Menschen in meinen Arbeiten ihre eigene Bedeutung finden, abhängig davon, was sie gerade erleben. Manche spüren vielleicht Trost, andere Einsamkeit - beides ist in Ordnung. Meine Kunst soll offen bleiben für verschiedene Deutungen.


Toxic Nurture | Not a listener | Social Glass


Serien wie Social Glass, Toxic Nurture oder Not a Listener erforschen die Komplexität menschlicher Beziehungen und des modernen Lebens. Wie entscheiden Sie, welche Form oder Farbe ein bestimmtes Gefühl annimmt?


Am Anfang plane ich nicht viel. Ich frage mich zuerst, wie sich das Gefühl anfühlt. Wenn es schwer wirkt, wähle ich dunklere, dichtere Farben; wenn es fern erscheint, lasse ich mehr leeren Raum. Ich folge dabei meiner Intuition und passe so lange an, bis die Komposition sich stimmig anfühlt. Manchmal vermittelt Farbe Emotion schneller als Worte. Auf dieses visuelle Gespür vertraue ich mehr als auf Logik.

 

Ihre Werke wirken wie visuelle Geschichten, die irgendwo zwischen Gedanken und Emotion entstehen. Können Sie uns Ihren kreativen Prozess beschreiben – vom ersten Impuls bis zu dem Moment, in dem Sie wissen, dass ein Werk vollendet ist?


Oft beginnt alles mit einem Gedanken oder einem Gefühl. Manchmal schreibe ich es auf, manchmal skizziere ich es. Ich beeile mich nicht. Ich lasse es wachsen und beobachte, wohin es mich führt. Dann zeichne ich und experimentiere mit Formen und Kompositionen, um herauszufinden, was das Gefühl am besten trägt. Ich verlasse mich stark auf Intuition, nehme mir aber auch Zeit, zurückzutreten und zu prüfen, ob mich das Werk noch berührt. Manchmal wird ein Zufall - eine verirrte Linie oder eine zufällige Farbe – zum zentralen Teil der Arbeit. Ich weiß, dass ein Werk vollendet ist, wenn ich es ansehe und spüre, dass es emotional stimmt. Es ist der Moment, in dem es endlich sagt, was es sagen wollte.


Empathy, Kuan-Hsuan Lu
Empathy, Kuan-Hsuan Lu

Als Künstlerin und Designerin haben Sie an Projekten gearbeitet, die Kunst und kommerzielles Design verbinden. Wie bewahren Sie Ihre persönliche Handschrift in professionellen Kontexten, die oft klare Vorgaben und Erwartungen haben?


Ich versuche, in jedem Projekt ein Stück von mir selbst zu bewahren - sei es durch Farbe, Stil oder Komposition. Auch wenn es viele Regeln gibt, frage ich mich immer: Macht es Spaß? Weckt es Neugier? Fesselt es sofort den Blick? Im Design ist es mir wichtig, Inhalte auf eine fröhliche, positive Weise zu vermitteln - mit derselben Energie und Wärme wie in meiner Illustration. Ich bin außerdem dankbar, dass viele meiner Auftraggeberinnen meine Ideen respektieren und meine kreative Stimme unterstützen. Das macht einen großen Unterschied.


Grow up |  Her beauty and sorrow | Help


Sie haben einst Malkurse für Kinder geleitet – eine Erfahrung, die scheinbar Ihr Gespür für Empathie und Zugänglichkeit in der Kunst geprägt hat. Was hat Ihnen diese Zeit über Einfachheit und emotionale Kommunikation beigebracht?


Ja, ich habe in Hualien, Taiwan, Kinderworkshops geleitet. Es war keine lange Zeit, aber sie hat mich tief geprägt. Kinder schaffen auf eine unmittelbare und ungefilterte Weise. Ihre Emotionen sind in ihren Zeichnungen sofort spürbar. Sie denken nicht zu viel nach - sie drücken einfach aus, was sie fühlen. Durch sie habe ich gelernt, Menschen aus verschiedenen Hintergründen besser zu verstehen und durch Kunst zu begleiten. Diese Erfahrung hat mich den Wert ehrlicher Kreativität und achtsamer Beobachtung gelehrt. Sie hat mich auch daran erinnert, meine eigenen Werke nicht zu übergestalten oder zu verkopfen. Manchmal spricht die einfachste Form am klarsten.

Ich wünsche mir, immer wie ein Kind zu schaffen - frei, aufrichtig und mit Freude am Prozess.


open the umbrella, Kuan-Hsuan Lu
Open the umbrella

Sie haben zahlreiche internationale Preise für Design und Illustration erhalten. Inspirieren Sie solche Auszeichnungen zu noch mehr Experimentierfreude, oder wecken sie ein stärkeres Verantwortungsgefühl für Ihr Schaffen?


Beides ein wenig. Auszeichnungen geben mir das Selbstvertrauen, neue Richtungen zu erkunden. Gleichzeitig erinnern sie mich daran, aufrichtig zu bleiben und Bedeutung zu schaffen, nicht nur Anerkennung. Jeder Preis motiviert mich, zu wachsen, meine Ideen zu vertiefen und meine Ausdrucksweise zu verfeinern. Für mich sind Auszeichnungen kein Ziel, sondern eine Bestätigung, dass meine Arbeit jemanden berührt hat - und das treibt mich weiter an.

 

Wenn Sie heute Ihre eigene Traum-Ausstellung kuratieren könnten, welches Thema würde sie haben und wie würden Sie die Geschichte durch verschiedene Medien erzählen?


Ich würde eine Ausstellung über emotionales Wachstum oder Loslassen gestalten – darüber, wie Menschen sich nach schwierigen Zeiten verändern oder lernen, sich selbst vorwärts zu bewegen. Man muss nicht immer loslassen, aber man kann lernen, weiterzugehen. Ich möchte, dass die Ausstellung ein Raum wird, in dem Menschen ihre Gefühle gemeinsam erkunden und reflektieren können. Sie würde Illustration, Infografik, Motion Design, Klang, Projektion und vor allem interaktives Design vereinen, damit Besucherinnen aktiv teilhaben und erleben können. Mein Wunsch ist, dass sie den Raum mit einem Gefühl von Ruhe, Verständnis und vielleicht ein wenig Hoffnung verlassen.


Boundless Horizon, Kuan-Hsuan Lu
Boundless Horizon

Jedes Werk von Kuan-Hsuan Lu beginnt mit echter Emotion. Ihre Kunst öffnet einen Raum für Verbindung und Verständnis und zeigt, wie Farbe und Linie Menschlichkeit verkörpern können. Ihre visuelle Welt berührt und inspiriert. In jeder Geste liegt Achtsamkeit, in jeder Farbe Präsenz. Durch Einfachheit und Aufrichtigkeit erschafft Kuan-Hsuan Lu Kunst, die zum Nachdenken, Fühlen und Innehalten einlädt. Sie erinnert daran, dass Sanftheit eine Form von Stärke sein kann.


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