A HOUSE OF DYNAMITE
- ARTISTIC HUB MAGAZINE
- vor 3 Tagen
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Kathryn Bigelow und die Rückkehr ins Herz eines nuklearen Albtraums

Beim 82. Filmfestival von Venedig erhob sich das Publikum von den Sitzen und applaudierte elf Minuten lang. Nach acht Jahren Stille kehrte Kathryn Bigelow mit A House of Dynamite zurück und machte deutlich, warum ihr Name noch immer als Synonym für mutiges, kompromissloses Kino gilt.
Die Handlung spielt sich in einem Zeitraum von nur achtzehn bis neunzehn Minuten ab - dem Abstand zwischen dem Start einer unbekannten Rakete und ihrem möglichen Einschlag in Chicago. Bigelow und Drehbuchautor Noah Oppenheim wiederholen dieses Intervall aus verschiedenen Blickwinkeln: von einem Militärstützpunkt in Alaska, aus dem Büro des Präsidenten und aus den Kommandoräumen in Washington. Entstanden ist ein nervenaufreibendes Protokolldrama, das sich zu einer philosophischen Frage weitet: „Kann ein System die Welt schützen, wenn es auf seinen eigenen Rissen aufgebaut ist?“
Im Zentrum steht der Präsident der Vereinigten Staaten, gespielt von Idris Elba. Seine Darstellung ist zugleich würdevoll und verletzlich - ein Staatsoberhaupt, das weiß, dass jede Entscheidung das Ende bedeuten kann. Rebecca Ferguson verkörpert Captain Olivia Walker, eine Soldatin zwischen Vorschrift und moralischem Dilemma. Ihre Präsenz und das Zusammenspiel mit Elba tragen die Geschichte und verwandeln sie in ein menschliches Drama, nicht bloß in eine technische Simulation einer Katastrophe.
A House of Dynamite; Photos: Courtesy of Netflix, 2025 / La Biennale di Venezia, 2025
Die Kritiker reagierten mit gemischten Gefühlen, doch fast alle sind sich in einem Punkt einig: die Spannung ist kaum auszuhalten. The Guardian bezeichnet den Film als kühlen, intensiven Politthriller, Vulture hebt sein unerbittliches Tempo hervor, während The Times betont, der Film biete „keinen Trost“. El País schreibt, dass die Zuschauer den Saal mit dem Gefühl verlassen, nukleare Katastrophen seien keine abstrakte Bedrohung mehr, sondern eine Realität, die wir nur allzu gern verdrängen. Bigelow setzt erneut auf dokumentarische Präzision. Das Drehbuch entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Pentagon, der CIA und Krisenexperten. Jede Einstellung trägt die Schwere akribischer Recherche, lässt aber Raum für das, was sie immer in den Mittelpunkt stellt – menschliche Schwäche und moralische Konflikte.
Die Musik stammt von Volker Bertelmann, Oscar-Preisträger für Im Westen nichts Neues. Seine Partitur schlägt wie ein Countdown, zugleich hypnotisch und beunruhigend. Kameramann Barry Ackroyd, bekannt durch The Hurt Locker, bringt mit seiner Arbeit eine dokumentarische Authentizität ein. Der Sounddesigner Paul N. J. Ottosson verstärkt jedes Flüstern und jedes Alarmsignal bis an die Grenze des Erträglichen.
A House of Dynamite* gibt keine Antworten. Der Film führt uns in die Stille zwischen zwei Sekundenbruchteilen und zwingt uns, über die Welt nachzudenken, in der wir leben - eine Welt, in der ein einziger Impuls genügen würde, um alles zum Einsturz zu bringen, was wir Zivilisation nennen. Bigelow zeigt keinen Ausweg. Sie hält uns den Spiegel vor und fragt, wie lange wir in einem Haus aus Dynamit leben können, während wir daran glauben, dass es niemals entzündet wird.
Der Kinostart ist am 10. Oktober, ab dem 24. Oktober wird der Film weltweit auf Netflix verfügbar sein. Ob als technisches Meisterwerk, moralische Prüfung oder eiskalter Schock - A House of Dynamite lässt niemanden unberührt – das ist sicher!

A House of Dynamite – Technische Daten
Regie: Kathryn Bigelow
Drehbuch: Noah Oppenheim
Produktion: First Light Pictures, Kingsgate Films, Prologue Entertainment
Produzenten: Greg Shapiro p.g.a., Kathryn Bigelow p.g.a., Noah Oppenheim p.g.a.Ausführende Produzenten: Brian Bell, Sarah BremnerKamera: Barry Ackroyd BSC
Szenenbild: Jeremy Hindle
Kostüme: Sarah Edwards
Schnitt: Kirk Baxter ACEMusik: Volker BertelmannSounddesign: Paul N. J. Ottosson
Co-Produzenten: Jeremy Hindle, Sumaiya Kaveh, Luca Borghese
Casting: Susanne Scheel
Hauptdarsteller: Idris Elba, Rebecca Ferguson, Gabriel Basso, Jared Harris, Tracy Letts, Anthony Ramos, Moses Ingram, Jonah Hauer-King, Greta Lee, Jason Clarke, Malachi Beasley, Brian Tee, Brittany O’Grady, Gbenga Akinnagbe, Willa Fitzgerald, Renée Elise Goldsberry, Kyle Allen, Kaitlyn Dever