LA GRAZIA VON PAOLO SORRENTINO
- ARTISTIC HUB MAGAZINE
- 30. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Am 27. August 2025 eröffnete Venedig die 82. Ausgabe seines Filmfestivals mit einem Werk, das die unverkennbare Handschrift eines der bedeutendsten europäischen Regisseure trägt. Paolo Sorrentino, Gewinner des Academy Awards, präsentierte La grazia, eine Geschichte, die in den Bereich persönlicher und politischer Dilemmata führt. La Biennale bestätigte, dass genau dieser Film ausgewählt wurde, um das Festival feierlich zu eröffnen.
Im Mittelpunkt der Handlung steht Mariano De Santis, ein fiktiver Präsident Italiens. Er ist Witwer, Katholik und Jurist, ein Mann mit ernstem Auftreten und ständiger innerer Unruhe. Gegen Ende seiner Amtszeit, in einer Phase, die ruhig und berechenbar wirkt, erreichen ihn zwei Gnadengesuche. Diese Entscheidungen bleiben nicht auf das Recht beschränkt. Sie verflechten sich mit seinem persönlichen Leben und seinen tiefsten Überzeugungen. Die offizielle Synopsis betont, dass diese Figur keinerlei Bezug zu einem realen Präsidenten hat. Sie ist eine reine Schöpfung des Autors.
Was als Geschichte von Pflicht beginnt, entwickelt sich zu einem moralischen Labyrinth. Der Präsident muss entscheiden, ob er Menschen begnadigt, die unter Umständen getötet haben, die Mitgefühl wecken, und ob er ein Gesetz zur Sterbehilfe unterzeichnen soll, ohne dabei seinen Glauben zu verleugnen. Der Film gibt keine einfachen Antworten. Er zeigt vielmehr einen Menschen, der im Spannungsfeld zwischen Zweifel und Verantwortung lebt.
In seinen Notizen beschreibt Sorrentino La grazia als einen Film über die Liebe. Für ihn ist Liebe die treibende Kraft, die Zärtlichkeit, Trauer, Eifersucht und ein tiefes Pflichtgefühl hervorbringt. Mariano liebt seine verstorbene Frau. Er liebt seine Tochter Dorotea. Er liebt das Recht, das sein gesamtes Leben geprägt hat. Diese Liebe, verbunden mit Unsicherheit, macht ihn zu einem Mann, der nie aufhört, die Richtigkeit seiner Entscheidungen zu hinterfragen.

Die Rolle des Präsidenten verkörpert Toni Servillo, dessen lange Zusammenarbeit mit Sorrentino dem italienischen Kino einige seiner unvergesslichsten Werke geschenkt hat. Anna Ferzetti spielt Dorotea. Die visuelle Sprache des Films wurde von Kamerafrau Daria D’Antonio gestaltet, während Atmosphäre und Stil durch Szenenbildnerin Ludovica Ferrario, Kostümbildner Carlo Poggioli und Cutter Cristiano Travaglioli geprägt werden. Wie in allen Filmen Sorrentinos wird auch hier die Musik Teil der Erzählung. Sie schafft Rhythmus und Emotion, die jede Einstellung durchziehen.

La grazia erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich in einem entscheidenden Moment seines Lebens all dem stellen muss, was ihn definiert: Liebe, Glaube, Vaterschaft und Macht. Der Film lädt zum Nachdenken über Ethik und Verantwortung ein und fesselt zugleich durch visuelle Harmonie und emotionale Tiefe. Seine Premiere in Venedig unterstreicht, dass das Kino auch heute noch drängende Fragen nach Sinn und Schönheit des Lebens stellen kann.
Bei seiner Uraufführung wurde La grazia mit einem minutenlangen Applaus gefeiert. Das Publikum reagierte mit Herzlichkeit, während Kritikerinnen und Kritiker Sorrentino dafür lobten, dass er ein seltenes Gleichgewicht zwischen Emotion und Zurückhaltung gefunden hat. Toni Servillo trägt die Geschichte mit stiller Stärke, und das Zusammenspiel von feinem Humor und moralischem Fragen macht den Film zu einem Werk, das zugleich unterhält und zur Reflexion anregt. Kritiken beschrieben ihn als meditatives und nuanciertes Porträt eines Mannes, der am Ende seines Weges nach Sinn in Liebe, Verantwortung und Glauben sucht.
Produktionsangaben
Regie und Drehbuch: Paolo Sorrentino
Produktion: Fremantle (Andrea Scrosati), The Apartment (Annamaria Morelli), Numero10 (Paolo Sorrentino)
Länge: 133 Minuten
Sprache: ItalienischProduktionsland: Italien
Hauptdarstellerinnen und Hauptdarsteller: Toni Servillo, Anna Ferzetti, Orlando Cinque, Massimo Venturiello, Milvia Marigliano, Giuseppe Gaiani, Linda Messerklinger, Vasco MirandolaKamera: Daria D’Antonio
Schnitt: Cristiano Travaglioli
Szenenbild: Ludovica Ferrario
Kostüme: Carlo Poggioli
Ton: Emanuele Cecere, Mirko PerriVisuelle Effekte: Rodolfo Migliari