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WENN DIE STILLE SPRICHT

  • Autorenbild:  ARTISTIC HUB MAGAZINE
    ARTISTIC HUB MAGAZINE
  • vor 23 Stunden
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 3 Stunden

Der Mut der Liebe



Sign Language

„Als uns die Worte verließen, fanden wir Trost in der Anmut der Gebärdensprache.“

Die heilige Geste: Gebärdensprache als höchste Körperkunst

Die Welt meines Sohnes war eine stille Welt, eine Welt, in die ich sehnlichst eintreten wollte. Als uns die Worte fehlten, fanden wir Trost in den fließenden Bewegungen der Gebärdensprache. Sie wurde unsere Brücke, eine visuelle Symphonie, die gesprochene Sprache überstieg. Gebärdensprache ist weit mehr als ein Kommunikationsmittel - sie ist eine Kunstform. Jede Geste ist ein Pinselstrich, der Emotionen und Geschichten in die Luft malt.


Das feine Spiel der Finger, der Ausdruck einer Augenbraue - all das ist eine lebendige Choreografie, ein visuelles Gedicht, das das Ohr umgeht und direkt zur Seele spricht. Eine Kunst, in der der ganze Körper das Instrument ist und die Stille die Bühne. Doch diese visuelle Symphonie wurde aus einer furchteinflößenden Stille geboren, der ich mich erst stellen musste.

 

Der Glaube einer Mutter und der Schatten des Aufstiegs

Wir preisen oft Erfolgsgeschichten, ohne den beschwerlichen Aufstieg dorthin zu sehen. Doch wahre Stärke liegt nicht im lauten Jubel am Gipfel, sondern in den leisen Momenten des Loslassens. In den Jahren nach der Geburt meines Sohnes wurde unsere Welt von einer erschütternden Stille geprägt - einer Stille, deren Grund wir erst verstanden, als die Diagnose feststand: Er war taub geboren.


Mein Mann und ich waren jung, am Anfang des Erwachsenenlebens, während ich noch studierte. Wenn ich heute zurückblicke, kann ich mir kaum vorstellen, wie groß seine Angst damals gewesen sein muss. Möge seine Seele in Frieden ruhen; er schenkte mir stets nur ein Lächeln - und Schweißperlen auf der Stirn. Die finanziellen Belastungen für spezialisierte Therapien waren enorm. Es gab dunkle Tage, Tränen der Verzweiflung, Momente, in denen ich auf den Knien lag und nur eine Frage stellte: „Warum wir?“


Was mich auf diesem Weg hielt, war ein unerschütterlicher, fast blinder Glaube an Gottes Plan. Es war ein Weg, der im Feuer geschmiedet, durch Liebe gestärkt und zum Beweis wurde, dass der Glaube bleibt, wenn Worte versagen. Schon bevor wir die Diagnose erhielten, kommunizierten wir instinktiv – durch Gesten, Blicke, Berührung. Es war die Sprache der Seele, die keine Worte braucht.


„Ein Weg, im Feuer geschmiedet, durch Liebe gestärkt - ein Zeugnis dafür, dass der Glaube bleibt, wenn Worte versagen.“


Die Kunst des Instinkts und das Formen einer Lösung

Nach der Diagnose stellte sich sofort die Frage: „Und jetzt?“ In diesem Moment wurde ich zu dem, was ich eine menschliche Schutzmacht nenne. Wenn ich die Therapie nicht bezahlen konnte, lernte ich sie selbst. Wenn etwas in Südafrika nicht existierte, erschuf ich es. Ich nutzte meinen Körper als Schild, als Versprechen, dass mein Sohn alles haben würde, was er braucht - egal, welchen Preis ich zahlen musste.


Mein erster Schritt war der Besuch einer Schule der Deaf and Blind Society, um die Grundlagen der Gebärdensprache zu lernen. Dort begriff ich, dass ihre Schönheit von innen kommt. In der hörenden Welt überträgt die Stimme Gefühle durch ihren Klang; beim Gebärden hingegen muss man das Gefühl spüren und es in Bewegung übersetzen - von Körper zu Körper. Man lässt die Seele zum Ton werden, und genau das verleiht dieser Sprache ihre Tiefe.


Nach dieser ersten Phase verwandelte ich mich von einem unsicheren Samen zu einer Blüte, die Kraft fand. Ich wurde Elternberaterin und Mentorin für Mütter und Väter gehörloser Kinder in einer Selbsthilfegruppe namens Thrive. Meine Geschichte zu teilen, Wissen weiterzugeben und Alltagstipps zu vermitteln, wurde zu meiner Art, zu heilen und zu helfen.


 

Ein visuelles Lexikon entsteht

Die Tiefe der Gebärdensprache wird oft missverstanden - viele glauben, sie sei universell. Das stimmt nicht. Jede Nation trägt ihre Kultur und ihren Dialekt in ihre Gebärdensprache ein. Ich lernte die südafrikanische Gebärdensprache (SASL), die stark von unserer lokalen Kultur geprägt ist. Damals wurde mir ein Satz zum Leitgedanken: „One size doesn’t fit all“ - nichts passt allen gleichermaßen.

 

Es gibt außerdem unterschiedliche Zeichensysteme, etwa Pidgin Signed English (PSE) oder Signing Exact English (SEE). Das Kürzel ändert sich je nach Land: Südafrikanische Gebärdensprache ist SASL, amerikanische ASL.

 

Mein Wunsch, Lösungen zu schaffen, wo keine waren, zeigte sich am deutlichsten, als ich beschloss, meinen Sohn selbst zu unterrichten. Homeschooling war damals in Südafrika noch sehr unüblich. Doch Glaube und Liebe zu meinem Kind trieben mich an. Ich wurde seine Dolmetscherin, seine Fürsprecherin, seine Lehrerin. Ich entwickelte mein eigenes Lernprogramm und war - soweit ich weiß - die erste Mutter in Südafrika, die ein gehörloses Kind zu Hause unterrichtete.

 

Heute zeige ich der Welt die Schönheit dieser Sprache, indem ich Musik visuell übersetze: Ich produziere kurze Videos, in denen ich Liedtexte gebärde. Es ist keine bloße Übersetzung - es ist Performancekunst. Ich verwandle Klang in Bewegung, Rhythmus in Licht. Jede Melodie wird zu einer filmischen Sequenz aus Gesten, in der jeder Takt, jede Pause und jedes Gefühl sichtbar wird.

 

Diese Reise ist ein Zeugnis der Kraft eines Mutterherzens. Sie beweist, dass selbst wenn die Welt sagt, etwas sei unmöglich, die größte Kunst darin besteht, weiterzugehen - im blinden Vertrauen, dass der Plan von Gott kommt, der in der Stille laut spricht. Die Sprache, die wir teilen, ist still, und doch erzählt sie von Stärke, Anmut und einer unzerbrechlichen Bindung, gemalt auf die Leinwand der Luft.


„Die Sprache, die wir teilen, ist still, und doch erzählt sie von Stärke, Anmut und einer unzerbrechlichen Bindung, gemalt auf die Leinwand der Luft.“

Geschrieben von: Whenlee Chetty

 

Whenlee Chetty, Artistic Hub Magazine

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