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IDENTITÄT DURCH WEIN, KAFFEE UND PARFUM

  • Autorenbild:  ARTISTIC HUB MAGAZINE
    ARTISTIC HUB MAGAZINE
  • 27. Aug.
  • 3 Min. Lesezeit

Design , das eine Geschichte eröffnet


Die erste Begegnung mit Wein, Kaffee oder Parfum hat selten mit Geschmack oder Duft zu tun. Der Blick gleitet zunächst über Papier, Farbe, Typografie, über die Proportionen einer Flasche oder Schachtel. In diesem Moment ist Design keine Verzierung, sondern eine Botschaft. Es entscheidet darüber, wie wir ein Produkt wahrnehmen und was wir von ihm halten, noch bevor wir es erleben. Wenn es konsequent und klug gestaltet ist, wird die Form selbst zu einem Teil des Inhalts.


In Kalifornien zeigt das Weingut Field Recordings, wie ein Etikett selbst zur Geschichte werden kann. Andrew Jones, Gründer und Winzer, erschafft eine Welt, in der jeder Wein einen eigenen Charakter, einen Namen und einen visuellen Code trägt. Die Etiketten verzichten auf Weinberge und Klischees, stattdessen erscheinen grafische Motive und unerwartete Anspielungen. Sie erinnern an Schallplatten, unabhängige Plakate oder Polaroids – Objekte, die den Geist von Kultur und Alltagsleben in sich tragen. Während viele kalifornische Weingüter noch immer auf Landschaftsbilder und Tradition setzen, übersetzt Field Recordings den Wein in die Sprache der visuellen Kultur, näher am Design als an der Agronomie. Das Etikett kündigt den Inhalt der Flasche nicht nur an, es deutet ihn. Der Käufer fühlt sich Teil einer Erzählung, nicht bloß Konsument.



Weiter nördlich auf dem amerikanischen Kontinent, in Arkansas, eröffnet Onyx Coffee Lab das zweite Kapitel dieser Geschichte. Ihre Verpackung ist seit Langem ein Beispiel dafür, wie Design ein Ritual schaffen kann. Die Schachtel, die den Beutel mit Bohnen enthält, wirkt wie ein kleines Geschenk: Sie öffnet sich langsam, durch die Berührung der matten Oberfläche und der geprägten Typografie. Außen steht klare, monochrome Schrift, innen wartet eine Karte mit Angaben zu Anbau und Verarbeitung – eine Art Personalausweis des Kaffees. Hier verbirgt das Design das Produkt nicht, es gibt ihm ein Gesicht.


Onyx hat damit die Grenzen in der Welt des Specialty Coffee verschoben! Der Käufer erhält nicht nur Geschmack, sondern auch eine Geschichte über Herkunft und die Menschen dahinter. Das schafft Vertrauen und verwandelt die Verpackung in einen Träger von Werten, der ebenso stark wirkt wie das Aroma in der Tasse. Kritisch betrachtet wirft dies auch die Frage nach der Grenze auf – wo endet das Ritual, wo beginnt die Ästhetisierung? Wenn Verpackung selbst zum Luxusobjekt wird, betritt Design die Sphäre der Fetischisierung des Alltäglichen. Gerade diese Spannung macht es jedoch zu einem so faszinierenden Beispiel.


In Paris schließlich verbindet Olfactive Studio Parfum und Fotografie zu einer Einheit. Die Identität der Marke entsteht im Dialog zwischen Parfümeuren und Fotografen. Duft und Bild reisen hier harmonisch gemeinsam. Die Flakons sind reduziert, die Etiketten zurückhaltend, im Zentrum steht eine schwarz-weiße Fotografie, die Emotion transportiert. Es handelt sich nicht um Illustration, sondern um ein Kunstwerk, das Teil der Verpackung wird. Wer das Parfum in der Hand hält, hält zugleich einen Ausschnitt fest – einen eingefrorenen Moment, eine visuelle Erzählung, die offenlegt, was hinter der Duftkomposition steht. Eine solche Zurückhaltung, Eleganz und Klarheit formen eine Identität, die zugleich modern und zeitlos wirkt. Ein Kritiker würde hinzufügen, dass dieses Konzept auch den Praktiken der Konzeptkunst der sechziger Jahre verpflichtet ist, in denen die Dokumentation ebenso bedeutend war wie das Werk selbst. Hier wird die Fotografie zum Beleg dafür, dass Duft einen kulturellen Kontext hat, dass er Teil einer größeren künstlerischen Tradition ist.


Drei Marken, drei Branchen, eine Botschaft. Design ist keine nachträgliche Schicht eines Produkts, sondern Teil seiner Wahrheit. Wein kann durch ein Etikett wie ein Porträt sprechen, Kaffee kann auf seiner Verpackung das Gesicht des Bauern zeigen, und Parfum kann sich in einer Fotografie entfalten. Alles beginnt mit einem Blick und endet mit Vertrauen. In einer Welt voller Auswahl ist Vertrauen zum kostbarsten Luxus geworden.

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