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JANIH CH. LÜTHI

  • Writer:  ARTISTIC HUB MAGAZINE
    ARTISTIC HUB MAGAZINE
  • Sep 27
  • 4 min read

SWITZERLAND



Die Kraft des Ungesagten


Im Schaffen von Janih Ch. Lüthi beginnt alles mit einem Funken, sei es eine Idee, eine Inspiration, eine Erinnerung, eine Geste oder ein einzelnes Bild, das sich zu einem Thema entwickelt, stark genug, um eine Serie zu werden. Ihre Fotografie formt Emotionen durch das Spiel von Licht und Schatten, wobei das Unsichtbare ebenso viel Bedeutung trägt wie das Sichtbare. Jedes Projekt führt mühelos zum nächsten, ohne Druck oder Zwang. Für sie existiert ein Porträt nur in einem Moment gegenseitigen Vertrauens und voller Präsenz.


Im Gespräch mit Artistic Hub Magazine teilt Janih Einblicke in ihren künstlerischen Prozess.


Janih Ch. Lüthi, Aartist
Janih Ch. Lüthi, Künstlerin

Ihre Porträts wirken sorgfältig komponiert, verlieren dabei jedoch nie ihre emotionale Spontaneität. Wie entwickeln Sie normalerweise ein Konzept für eine Serie? Wo setzen Sie an und wann wissen Sie, dass ein Thema stark genug ist, um es weiter zu verfolgen?

 

Mein Prozess beginnt oft mit einem Fragment der Inspiration - einem Bild, einer Geste oder einer Erinnerung, die mich nicht loslässt. Wenn es immer wieder auftaucht und sich mit anderen Ideen verbindet, weiß ich, dass es genügend Gewicht hat, um es zu vertiefen. Ein starkes Thema fühlt sich lebendig an und zieht mich so lange an, bis ich es nicht mehr ignorieren kann.  

 

Fotografie ist immer eine Frage der Auswahl: Was soll gezeigt und was bewusst weggelassen werden. Was ist für Sie dabei entscheidend?

 

Alles, was im Bild bleibt, muss der Emotion dienen, die ich vermitteln möchte. Wenn Ablenkendes entfernt wird, kann das Bild atmen. Oft ist es gerade das Unsichtbare, das am tiefsten mit den Betrachtenden in Resonanz tritt.



In Ihrer Arbeit spürt man eine Kontinuität, als ob jede Serie organisch aus der vorherigen erwächst. Folgen Sie einer klaren langfristigen Vision oder überraschen Sie neue Ideen und führen Sie in eine andere Richtung?

 

Es gibt einen roten Faden, ja, aber ich zwinge ihn nicht herbei. Jedes Projekt bringt mir leise etwas bei, das mich zum nächsten führt, wie ein Trittstein. Gleichzeitig versuche ich offen für Überraschungen zu bleiben, weil die bedeutendsten Arbeiten oft ungeplant entstehen - durch eine Begegnung oder einen Moment, den ich nicht vorhersehen konnte.

 

Serien wie „Black & White Portraits“ deuten auf eine besondere Nähe und auf Vertrauen zwischen Ihnen und der Person vor der Kamera hin. Wie entsteht diese Verbindung, bevor die Aufnahme beginnt, und was braucht es in dieser Dynamik, damit Sie arbeiten können?

 

Ich glaube, dass Porträtfotografie auf Vertrauen basiert. Bevor ich die Kamera hebe, nehme ich mir Zeit zum Zuhören, für ein Gespräch oder einfach, um einen Moment der Stille zu teilen. Die porträtierte Person muss spüren, dass ich wirklich anwesend bin und nicht nur aus der Distanz beobachte. Wenn diese gegenseitige Offenheit vorhanden ist, wird jede Fotografie zu einer Zusammenarbeit - zu einem geteilten Moment und nicht nur zu einem eingefangenen Bild.


The Vessel of Secrets

Ihre Bilder tragen oft eine minimalistische Atmosphäre, aber nichts wirkt zufällig. Wie gestalten Sie die Vorbereitung eines Shootings - von der Wahl des Raums und des Lichts bis hin zur Interaktion mit dem Modell?

 

Die Vorbereitung ähnelt für mich dem Einrichten einer Bühne, doch ich versuche, sie nicht zu stark zu kontrollieren. Mein erster Blick gilt dem Licht, denn es bestimmt die Atmosphäre und gibt der Sitzung den emotionalen Ton. Auch der Raum ist wichtig, doch bevorzuge ich klare Umgebungen, die nicht mit dem Motiv konkurrieren. Am entscheidendsten ist jedoch der menschliche Austausch. Ich baue Vertrauen auf und lasse den Menschen dann die Freiheit, sich selbst zu bewegen und zu positionieren, ohne strenge Regie. Diese Offenheit ermöglicht es, dass Gesten, Ausdruck und Bewegung authentisch entstehen. Sobald diese Energie da ist, folgen Licht und Raum einfach dem natürlichen Rhythmus des gemeinsamen Moments.



Jeder langfristige künstlerische Weg hat einen Moment, in dem es „klickt“. Erinnern Sie sich daran, wann Sie Ihre Richtung erstmals erkannt haben und wussten, dass Sie diesen Weg einschlagen wollten?

 

Meine Richtung offenbarte sich schrittweise, nicht durch eine einzelne Eingebung. Jahrelang spielte Porträtfotografie in meinem Denken keine Rolle. Ich widmete mich Landschaften und der Tierwelt, immer auf der Suche nach der Stille der Berge. Nach einer Verletzung konnte ich jedoch nicht mehr wie zuvor wandern oder klettern und fand mich mit der Kamera in der Hand zu Hause wieder. Diese Pause zwang mich, anders zu sehen, und ich begann, das Objektiv auf Menschen zu richten. Allmählich bemerkte ich, dass meine Bilder keine Nachahmungen anderer mehr waren, sondern etwas Eigenes in sich trugen. Dieses Bewusstsein markierte den Wendepunkt. Aus einer Begrenzung entstand die Zuversicht, mich dem Porträt mit voller Absicht zu widmen.

 

Jede Serie, jede Ausstellung, jedes einzelne Bild führt irgendwohin. Was wartet im Moment auf Sie? Spüren Sie bereits das nächste Thema, eine Veränderung oder eine neue Herausforderung?

 

Die Arbeit, die vor mir liegt, fühlt sich stiller, konzentrierter und auf das Wesentliche reduziert an. Mich beschäftigt die Frage, wie wir das fotografieren können, was nicht da ist - die Stille, die Abwesenheit, das Ungesagte. Ich experimentiere mit stark reduzierten Kompositionen, in denen die Spannung eher aus dem Zurückgehaltenen entsteht als aus dem Sichtbaren. Noch ist es unbestimmt, und gerade diese Ungewissheit begeistert mich. Sie ist meist ein Zeichen dafür, dass die nächste Serie bereits Form annimmt, auch wenn ich sie noch nicht klar vor mir sehe.

 


Ihre Antworten zeigen eine Künstlerin, die in der Fotografie nach Authentizität, Ruhe und nach gemeinsam erlebten Momenten sucht. Jede Serie bringt eine neue Erfahrung und weist ihr den Weg zum nächsten Thema. Ein neuer Zyklus entsteht bereits - leiser und klarer, mit dem Fokus auf dem, was ungesagt bleibt. In diesem Raum gewinnt ihre Stimme an Kraft und deutet darauf hin, dass die wichtigsten Kapitel ihres Schaffens noch vor ihr liegen.


 

 
 
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